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Georges Bess: Frankenstein

Frankenstein (Mary Shelley)

Die Geschichte von Frankenstein ist völlig unglaublich: Der Mythos beginnt im Jahr 1816, als die Autorin mit anderen Dichtern einen Wettstreit einging, wer die beste Schauergeschichte schreiben würde. Als „Frankenstein“ im Januar 1818 veröffentlicht wurde, war noch nicht klar, dass dieser Stoff über Jahrhunderte zum Allgemeinwissen gehören werde.

Die expressionistische Verfilmung von 1931 mit Boris Karloff in der Hauptrolle hat das heutige Bild von Frankenstein geprägt. Georges Bess, dessen „Dracula“ 2019 viele Leserinnen und Leser begeisterte, hat nun mit „Frankenstein“ einen weiteren schaurigen Literaturklassiker in den Comic überführt. Victor Frankenstein wird von einer Forschungsexpedition am Nordpol aufgegriffen und erzählt den Reisenden, was ihn dorthin geführt hat. Der ehrgeizige Wissenschaftler hat einen künstlichen Menschen erschaffen, für den er von Anfang an wenig mehr empfinden kann als Abscheu und Furcht. Das Monster geht seine eigenen Wege, kreuzt aber Victors Weg immer wieder, tötet seine Liebsten und wird schließlich von Victor bis an den Rand der Welt gejagt. Dort, am Nordpol, wird Frankenstein dann aufgefunden.

Georges Bess zeichnet in eindringlichem Schwarzweiß und unter Verzicht auf die dekorativen Art-deco-Elemente von „Dracula“ die traurige Geschichte eines gescheiterten Schöpfers. Bess orientiert sich tatsächlich stark an dem Briefroman Mary Shelleys und löst sich etwa von der inzwischen zum Klischee verkommenen Monster-Verkörperung Boris Karloffs in der Verfilmung. An anderen Stellen wiederum übernimmt er Filmelemente, die im Roman noch nicht vorkommen. Die beeindruckenden Zeichnungen setzen das Monster wundervoll in Szene und erweisen dem Klassiker einen großen Dienst.

Die Lektüre ist ein guter Anlass, um zu hinterfragen, wer eigentlich das Monster ist, und nicht zuletzt lässt der Comic sich auf sehr verschiedene Arten lesen: als Geschichte wissenschaftlichen Übereifers oder als gescheiterte Vater-Sohn-Beziehung. So oder so: Pflichtlektüre dieses Spätsommers!

Dieser Text erschien in der Deadline.

Bibliographische Daten

Frankenstein
Georges Bess (nach Mary Shelley)

Splitter, 2022
208 Seiten, 39,80 Euro

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