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Sumo (2021)

In einer Kiste, in einem leeren Schwimmbecken und in kauziger Gesellschaft finden wir die junge Sumi vor. Das Becken füllt sich mit immer mehr Menschen vom Rand der Gesellschaft: mit dem Selbstmörder Victor (oder Vincent), der blinden Muttermörderin Jenny, dem Sadisten Jonas oder dem obdachlosen Horatio. Allesamt wurden sie durch traumatische Erfahrungen aus ihrem Alltag gerissen und finden sich nach und nach in dieser seltsamen Schwimmhallenhalbwelt wieder: Missbrauch, Suizid, Vergewaltigung, Mord. Die Skala der Grausamkeiten, die Mikolajczak als biografische Schlüsselszenen aneinanderreiht, kennt keine Zwischentöne. Aber wie real sind die Ereignisse überhaupt? Sind die Erinnerungen authentisch? Ist das Schwimmbecken ein urbaner Hades?

Fast möchte man Vergleiche mit Filmen wie CUBE oder MATRIX anstellen, allerdings gerät die Erzählung dafür doch nicht tief genug: Am Ende gibt es (leider) eine Auflösung, wenngleich diese nicht alle offenen Fragen beantwortet. Michael Mikolajczak hat seit 2017 eine ganze Reihe interessanter Comics in Zusammenarbeit mit verschiedenen Zeichnern vorgelegt, darunter Highlights wie RATTEN (mit Andreas Möller, 2018) und die freie E.-T.-A.-Hoffmann-Adaption SANDMANN (mit Jacek Piotrowski, 2019) – er bevorzugt düstere Themen.

Durch die Zusammenarbeit an SUMI mit 19 verschiedenen Zeichner*innen ist jedes der Kapitel grafisch sehr individuell geraten: schwarzweiß oder farbig, mit feinem Strich oder breitem Pinsel, mal konventionell im Layout und mal exotisch. Die abwechslungsreiche Gestaltung ist sehr reizvoll, macht die Lektüre aber auch anspruchsvoller, weil die Charaktere sehr unterschiedlich visualisiert werden. Indem die Zeichner*innen bestimmte Details wiederkehren lassen, bekommt das kreative Knäuel aber einen roten Faden. Wie ein solcher zieht sich auch ein roter Sportwagen durch viele der Szenen, und am Ende erfahren wir, warum. SUMI ist eine souverän konstruierte und verschachtelte Erzählung über jugendliche Missbrauchserfahrungen. Dieser Beitrag erschien zuerst in der Deadline #87.

Michael Mikolajczak, Jurek Malottke etc.
Sumi

Hardcover, 120 Seiten
Kult Comics, 22 Euro


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