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Ein Buch, eine Krähe und sehr viel Zeit: Albert Mitringers “Requiem”

Jede abenteuerliche Quest braucht ein Zielobjekt: Frobo sucht Ring, Bauer sucht Frau und Armin Laschet ein dunkles Versteck. In Albert Mitringers Fantasy-Comic „Requiem“ geht es um ein Buch und eine Krähe.

Eine Schlacht epischen Ausmaßes hat nicht nur die mittelalterlich anmutende Stadt zerstört, sondern auch zahllose Menschen ihr Leben gekostet. Zwischen allerlei Belagerungsgerät stapeln sich die skelettierten Leichen, durchbohrt von den Pfeilen der Verteidiger. Das Pflaster der steinernen Brücke, die über eine Schlucht zum Stadttor führt, ist unter den zahllosen Knochen kaum noch zu sehen. Ganz vorn liegt der Leichnam von Darin, der von etwa einem Dutzend Pfeile durchbohrt wurde. Tot. Zumindest bis eine schwarze Krähe sich auf seinen Schädel setzt und ihn damit wieder zum Leben erweckt: „Ein Mensch, von den Toten auferstanden.“ Das ist Darin.

Kaum aus dem Totenreich zurückgekehrt trifft er auf ein aufrechtgehendes sprachbegabtes Riesenwesen mit Fell, Keule und Hörnern: Das ist „Herr Ziege“. In einem ausufernden Kampf, der direkt aus der „Ilias“, dem „Gilgamesch“-Epos oder dem „Nibelungenlied“ stammen könnte, setzt Darin sich durch, allerdings nicht dauerhaft, und so nimmt eine doppelte Quest ihren Lauf. Beide sind auf der Suche nach etwas, das sie zuvor verloren haben: Herr Ziege sucht Annabelles Grimoire, ein Zauberbuch, das ihm in seiner Kindheit vorgelesen wurde, und Darin sucht eine Krähe, die ihm die Vergangenheit gegenwärtig machen solle. „Das ist nicht irgendeine Krähe, diese Art folgt den Jahreszeiten. Im Frühling brütet sie bei uns im Norden. … und anschließend zieht sie in den Süden. Auch wenn sie nicht das ganze Jahr hier verbringt, ist dies trotzdem ihre Heimat. Sie kehrt immer wieder zu ihren Wurzeln zurück.“

Die eigenen Wurzeln sind für Darin ein beherrschendes Thema, vor allem, weil er sich an sein Leben gar nicht erinnern kann. Nach und nach werden ihm wieder Episoden seiner Jugend bewusst, passenderweise farbig und damit im Kontrast zu den schwarz-weißen Strichzeichnungen, die besonders intensiv daherkommen, wenn es in dieser traurigen Welt mal wieder wie aus Eimern schüttet. Die Krähe ist mitunter ein Stellvertreter seines Vaters – auch von diesem glaubte Darin, er würde immer wieder zurückkehren, bis er es einmal nicht mehr tat.

Die Stationen, die Darin auf seiner abenteuerlichen Suche durchläuft, reichen von einem Kampf gegen einen Basilisken über die Durchquerung einer unterirdischen Anlage bis zur Beherbergung in einem unheimlichen Haus – unheimliche Gastgeberin inklusive. Die Stationen seiner Aventiure wirken etwas eklektisch, und was die einstmals buntstiftbunte Welt so schwarzweiß hat werden lassen, lässt Mitringer im Dunkeln: ein Magier, ein Krieg, die Versuchungen des Kapitalismus oder einfach der Lauf der Zeit. Bitte weiterlesen auf Comic.de.

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