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Die Regelschutzpflicht und George Orwells Doppeldenk

Kaum sind die Gäste der Gedenkfeiern nach Hause getorkelt, geht die Publikationsparty los: Im vergangenen Jahr jährte sich der Todestag des britischen Schriftstellers George Orwell zum 70. Mal. Dass 2021 gleich drei Comic-Adaptionen aus seinem Werk auf einen Schlag erschienen sind, ist kein Zufall.

Der Begriff der „Regelschutzfrist“ könnte in seiner Kombination von Frikativen kaum sperriger zu sprechen sein, und er klingt so abstrakt wie manche der bürokratisch-verschrobenen Begriffe, die George Orwell für seine düstere Zukunftsvision „1984“ erdacht hat: Neusprech, Doppeldenk, doppelungut. Aber immerhin: Dieser Regelschutzfrist bzw. deren Ablauf verdanken wir die drei Comic-Adaptionen, die 2021 bereits erschienen sind: „1984“ (Knesebeck), „Die Farm der Tiere“ (Panini) und weil es so schön war erneut „1984“ (Splitter).

Das Urheberrecht schützt künstlerische Werke bis 70 Jahre nach dem Tod ihrer Schöpfer. Im Kalenderjahr darauf werden die Werke gemeinfrei, d. h. dass jede*r sie für welches Medium auch immer adaptieren kann, ohne zuvor mit Rechteinhabern verhandeln zu müssen. So sind Franz Kafkas Werke seit 1995 gemeinfrei, Stefan Zweigs seit 2013 und George Orwells eben seit 2021. In diesen Jahren schossen die Zahlen der Publikationen in die Höhe. Nun erscheinen neben den Comic-Adaptionen gleich acht neue Übersetzungen von „1984“.

Die Orwell-Renaissance hat also nichts mit Corona zu tun, auch nicht damit, dass das Schlagwort vom Orwell’schen Überwachungsstaat gerade überall durch die Medien geistert. Wer den Roman oder eine der Comic-Adaptionen liest, dem müssen die frappierenden Unterschiede stärker ins Auge springen als manche oberflächliche Analogie. Bitte weiterlesen auf comic.de.

Bibliografische Daten

Jean-Christophe Derrien (Autor), Rémi Torregrossa (Zeichner): „1984“.
Aus dem Französischen von Anja Kootz. Knesebeck, München 2021. 128 Seiten. 22 Euro

Sybille Titeux de la Croix (Autorin), Amazing Ameziane (Zeichner): „1984“.
Aus dem Französischen von Harald Sachse. Splitter Verlag, Bielefeld 2021. 232 Seiten. 29,80 Euro

Odyr: „Die Farm der Tiere“.
Panini, Stuttgart 2021. 176 Seiten. 25 Euro

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