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Raum, Zeit und Handlung in Stefan Zweigs ›Schachnovelle‹

Der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig nahm sich 1942 im brasilianischen Exil das Leben und versäumte so die beeindruckende Rezeptionsgeschichte seines bis heute beliebtesten und meistgelesenen Prosatextes vor Sternstunden der Menschheit (1927) oder Ungeduld des Herzens (1939). Nicht zuletzt verdankt Die Schachnovelle ihre Popularität auch der gleichnamigen Verfilmung durch Georg Oswald mit Curd Jürgens in der Rolle des Dr. B. und Mario Adorf als Czentovic (1960). Die Novelle, die Stefan Zweig in drei Typoskripten kurz vor seinem Freitod postalisch versendete und damit ihre Überlieferung sicherzustellen versuchte, wurde 1942 zunächst in Buenos Aires in 300 Exemplaren posthum veröffentlicht und kurz darauf erneut in Stockholm einer breiteren Leserschaft zugänglich gemacht.

Stefan Zweig nahm – neben Thomas Mann, Bertolt Brecht oder Hermann Hesse – seit jeher eine exponierte Stellung unter den literarischen Exilanten im ›Dritten Reich‹ ein, was nicht nur an seiner literarischen Qualität, sondern vielleicht noch vielmehr an seiner gesellschaftlichen Bedeutung als intellektuelle Stimme liegen mag. 1934 verließ er seine österreichische Heimat Salzburg nach London und emigrierte nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs über mehrere Stationen schließlich nach Brasilien, wo er dem wechselhaften Exilantendasein mit seinem Freitod am 22. Februar 1942 ein Ende setzte.

Obwohl Die Schachnovelle sich einer großen Verbreitung im Schulunterricht erfreuen kann, ist damit bisher keine entsprechende Resonanz in der wissenschaftlichen Analysearbeit einhergegangen, es ist sogar ein geradezu erstaunlicher Mangel an eingehenden wissenschaftlichen Beschäftigungen festzustellen. Nach einer kurzen Darstellung der Forschungssituation soll dieser Aufsatz daher eine grundsätzlich Beschreibung des Textes anhand einer topographischen Analyse sowie der Betrachtung einiger Metaphern und im Hinblick auf die zeichenhafte Abbildung von Bewusstsein leisten. Dabei sollen Strukturen und Entwicklungen herausgestellt werden, die für die Bedeutungskonstituierung des Textes zentral sind. […]

Bibliographische Angabe:
Gerrit Lembke: Raum, Zeit und Handlung in Stefan Zweigs Schachnovelle. In: Literatur in Wissenschaft und Unterricht 42 (2009.4), S. 225–236.

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