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Alack Sinner (Avant 2020)

Kenosha, BLM, I can’t breathe. Lange bevor diese Chiffren für Polizeigewalt die Nachrichten beherrschten, haben Carlos Sampayo und José Munoz in Alack Sinner die brutale Hilflosigkeit der Polizei in düstere Bilder gebannt. In den 1970ern. Erschreckend aktuell.

sinnerIn Alack Sinner begleiten wir den titelgebenden Helden zunächst als Straßenpolizisten und beobachten mit ihm, wie die New Yorker Polizei der frühen 1970er Jahre die Grenzen des Anstands zu wahren versucht, indem sie die Grenzen des Zumutbaren überschreitet – Dirty Harry (1971) ist ein Zeitgenosse, die aktuellen Berichte aus den USA über Polizeibrutalität sind dunkle Nachfahren. Alack kann dies nicht mehr ertragen, kündigt und gründet eine mittelmäßig lukrative Privatdetektei. Willkommen im Hard-Boiled-Setting, in dem Sampayo und Munoz ihren grimmigen Titelhelden nun weitere 680 Seiten lang agieren lassen.

Menschen werden bedroht, Menschen sterben, Menschen verschwinden. Mit größtmöglicher Kälte ermittelt Alack Sinner (der ‚Sünder‘) und konkurriert zugleich mit der mal korrupten, mal inkompetenten Polizei. Schuld ist überall zu finden, machmal aber an ungewöhnlichen Orten.

Während er Verbrechen um Verbrechen aufklärt, wird rasch deutlich, dass die eigentlichen Verbrechen selten in den zu ermittelnden Taten bestehen, sondern die allgemeine Verderbtheit ein kriminelles Grundrauschen erzeugt, das den gesellschaftlichen Untergrund gleichermaßen erfüllt wie die Polizei. Die pessimistische Weltsicht wird in den brillanten Texten Sampayos ganz lakonisch eingeführt: „Knochenharte und fast anständige Bullen. Relikte aus einer anderen Zeit.“ Mehr hat diese düstere Gegenwart nicht zu bieten. Alack Sinner aber schon.

In dem Kapitel „Erinnerungen“, 1978 erstveröffentlicht in der spanischen Zeitschrift Charlie Mensuel #111, erhält Alack in einer Rückblende etwas biografische Tiefe und wandelt sich vom hartgesottenen Privatdetektiv plötzlich zum hartgesottenen Taxifahrer. Das Spielerische aber ist der Serie schon früh zu eigen.

Die Episode, „Das Leben ist kein Comic, Baby“, sticht als besonders selbstreferentiell heraus, weil Sampayo und Munoz selbst darin auftreten: „Wir sind Argentinier, wir arbeiten an einer Geschichte um einen New Yorker Privatdetektiv […] wir haben im Telefonbuch nachgeschaut und entdeckt, dass sie denselben Namen tragen wie unser Held. Merkwürdig, nicht?“ Die beiden erweisen sich als hochfunktionelle Nervensägen mit allen Charakterschwächen, die Alack Sinner das Leben schwer machen können. Den Leser*innen, so kann man vermuten, zur Freude. Zur vollständigen Rezension auf Comicgate.de.

Bibliografische Daten

Alack Sinner
Avant, 2019
Text: Carlos Sampayo
Zeichnungen: José Munoz
Übersetzung: André Höchemer
704 Seiten, schwarzweiß, Hardcover
Preis: 49 Euro
ISBN: 978-3-96445-019-7

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